Logo des Forschungsinformationssystems Agrar und Ernährung

Forschungsinformationssystem Agrar und Ernährung

Informationsportal des Bundes und der Länder

In-vivo Untersuchungen der probiotischen Effekte von in Milchproteinen mikroverkapselten probiotischen Keimen

Projekt

Ernährung und Verbraucherschutz

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zum Forschungsziel 'Ernährung und Verbraucherschutz'. Welche Förderer sind dazu aktiv? Welche Teilziele gibt es dazu? Schauen Sie nach:
Ernährung und Verbraucherschutz


Förderkennzeichen: AiF 16537 N
Laufzeit: 01.01.2010 - 31.05.2013
Fördersumme: 593.350 Euro
Forschungszweck: Angewandte Forschung

Ausgangssituation: Das Interesse der Verbraucher an Lebensmitteln mit gesundheitsförderndem Zusatznutzen, sog. 'Functional Food', ist sehr hoch. Die Zugabe von spezifischen gesundheitsfördernden Bakterienstämmen, Probiotika, ist eine weitverbreitete Strategie zur Generierung solcher Functional Foods. Bisher wurden meist fermentierte Produkte mit Probiotika angereichert, die Produktpalette wird aufgrund des hohen Marktpotentials aber kontinuierlich hin zu Non-Dairy-Produkten erweitert. Die Verabreichung von spezifischen puren Probiotika führte bereits zu guten Erfolgen in der Prävention und Therapie akuter und chronischer Störungen des Gastrointestinaltrakts und des Immunsystems, wie Durchfall, Reizdarm, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) oder atopischer Dermatitis. Das bedeutendste Einsatzgebiet für Probiotika in funktionellen Lebensmitteln ist in der Reduktion des Risikos für die Entwicklung moderner Zivilisationskrankhei-ten mit einer hohen Zahl an Betroffenen, wie z.B. Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen, Reizdarmsyndrom und Diabetes, zu sehen. Die Verfügbarkeit von funktionellen probiotischen Produkten in Supermärkten erscheint in diesem Zusammenhang als ein erfolgversprechender Ansatzpunkt. Auch diätetische funktionelle Lebensmittel, die auf Verbraucher mit bestimmten bekannten Risikofaktoren oder Erkrankungen zugeschnitten sind, stellen angesichts der Größe der Zielgruppe wirtschaftlich interessante innovative Produkte dar. So sind in Europa und in den USA mehr als 3,5 Mio. Deutsche vom CED betroffen. Für die Wirksamkeit von Probiotika sind zwei Vorbedingungen entscheidend. Zum einen müssen die Bakterien den Wirkort (im Darm) in ausreichend hoher Anzahl und zum anderen in aktiver Form erreichen. Je nach der Identität der Wirkstruktur und des Wirkmechanismus sind somit zwingend metabolisch aktive, lebende Bakterien notwendig oder aber tote Bakterien mit aktiver Wirkstruktur ausreichend. Entscheidend für die probiotische Funktionalität ist somit die Höhe der probiotischen Aktivität, die wiederum in den meisten Fällen von der Anzahl an lebenden und metabolisch aktiven Bakterien abhängig ist. Diese Vorbedingungen sind durch die Bedingungen in Lebensmitteln schwer zu realisieren. Zahlreiche Probiotika reagieren sensibel gegenüber den suboptimalen Milieueinflüssen während der Produktionskette sowie im Lebensmittel, so dass die Lebendkeimzahl bis zum Ende der Haltbarkeit des Lebensmittels meist drastisch reduziert ist. Die Lebendkeimzahl wird nach oraler Aufnahme durch die Magen/Dünndarmpassage meist weiter stark reduziert, so dass den Zielort im Darm nur noch ein sehr geringer Teil aktiver Probiotika erreicht. Auch aufgrund dieser Problematik besitzen viele der auf dem Markt erhältlichen probiotischen Produkte nur eine geringe Effektivität in Bezug auf ihre gewünschten und potenziell erzielbaren gesundheitsfördernden Eigenschaften. Die Aufrechterhaltung der Vitalität und vor allem der Funktionalität probiotischer Keime stellt daher eine große Herausforderung bei der Verwendung von Probiotika als funktionelles Additiv im Lebensmittel dar. Ein Lösungsansatz zum Schutz der Probiotika und ihrer aktiven Strukturen liegt in der Mikroverkapselung. Während es im Bereich medizinischer Anwendungen für derartige Zwecke bereits maßgeschneiderte Matrices gibt, steht für einen Einsatz im Lebensmittelbereich aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur eine begrenzte Anzahl potenzieller Matrixmaterialien für die Mikroverkapselung zur Verfügung. Für die Verkapselung von probiotischen Keimen im Lebensmittelbereich werden momentan meist Gele aus pflanzlichen Hydrokolloiden, wie z.B. Alginat oder κ-Carrageen, verwendet. Im Rahmen des IGF-Projektes AiF 15327 N wurden neuartige Mikrokapseltypen auf der Basis von Milchproteinen entwickelt, die mittels Emulsionstechnik hergestellt wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass diese Milchproteingel-basierenden Mikrokapseln eine vielversprechende Alternative zu den meist eingesetzten Polysaccharid-basierenden Kapselmatrices darstellen, da sie neben der Barrierefunktion durch zusätzliche puffernde Eigenschaften der Matrix Schutz bei tiefen pH-Werten im Magen liefern können und sie im Darm aufgeschlossen und verdaut werden, was bei Polysaccharidkapseln nicht immer der Fall ist. Der Schutzeffekt der Mikroverkapselung wurde allerdings bisher, unabhängig vom Kapseltyp, überwiegend in vitro und ausschließlich in Bezug auf die Überlebensrate, nicht jedoch auf die eigentlich entscheidende Komponente, die Funktionalität der Probiotika, untersucht. Ziel des Forschungsvorhabens war daher die Etablierung und Optimierung verschiedener Mikroverkapselungen auf Milchproteinbasis sowie die Untersuchung der Effekte dieser Mikroverkapselungen auf die probiotische Funktionalität in vivo. Forschungsergebnis: Zur Mikroverkapselung wurden zwei verschiede-ne Milchproteinmatrices, Natriumcaseinat (NaCas) und Labgel eingesetzt. Zum einen wur-den mittels Emulsionsverfahren Kapseln aus bei-den Materialien nach den im IGF-Projekt AiF 15327 N etablierten Methoden untersucht. Zum anderen wurden zwei neue Verfahren zur Mikro-verkapselung der Probiotika entwickelt, wobei es sich um ein Sprühtrocknungsverfahren zur Erzeugung wasserunlöslicher Labgelmikrokap-seln sowie um einen weiterentwickelten Emulsi-onsprozess, durch den die NaCas-Kapseln zu-sätzlich mit einer Fettschicht überzogen werden, handelt. Von diesen Kapseltypen wurde der Ein-fluss von verschiedenen Prozess- und Produkt-parametern, wie Temperatur, Kapselgröße, Ma-trixdichte etc. hinsichtlich der Effekte auf die probiotische Vitalität untersucht. Als Modellsys-tem für die probiotische Funktionalität wurde die entzündungshemmende Wirkung von Lactobacil-lus paracasei VSL#3 (L.p VSL#3) bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) genutzt. Die probiotische Funktionalität hängt in diesem Fall sowohl von der probiotischen Vitalität als auch von der probiotischen Aktivität ab. Im Kon-text der in dem vorliegenden Projekt untersuch-ten Entzündungshemmung durch L.p VSL#3 handelt es sich bei der probiotischen Aktivität um den Abbau des entzündungsfördernden Chemokins IP-10 durch die probiotische Pro-tease Lactocepin. Um die Effekte der verschie-denen Verkapselungen auf die probiotische Funktionalität zu untersuchen, wurden zunächst die Effekte der Verkapselungsprozesse auf die Vitalität und Aktivität der Probiotika per se un-tersucht. In einem weiteren Schritt wurde die Schutzwirkung der verschiedenen Verkapse-lungstypen unter Lagerbedingungen sowie im simulierten Magensaft untersucht. Darauf auf-bauend wurde das Auflösungsverhalten der ver-schiedenen Kapseln sowie die Schutzwirkung dieser Verkapselungstypen auf die bakterielle Vi-talität nach der oralen Aufnahme durch einen lebenden Organismus, der Maus, untersucht. Die Effekte der beiden etablierten und optimierten Emulsionskapseltypen (NaCas und Labgel) auf die probiotische Funktionalität von L.p VSL#3 wurden in je einem Mausmodell für chronische Dünndarm- sowie für chronische Dickdarm-entzündung untersucht. Es konnten erfolgreich neue Prozesse zur Ver-kapselung von Probiotika durch Sprühtrocknung sowie neue Fett-Protein-basierte Emulsionskap-seln etabliert werden. Es konnte gezeigt werden, dass es durch diese neu entwickelten sowie durch die bereits etablierten Verkapselungspro-zesse per se zu keinen negativen Effekten auf die Vitalität und die Aktivität der Probiotika kommt. Bei den sprühgetrockneten Kapseln konnte der Einfluss von variierender Trocknungs-temperatur und Feedtrockenmasse auf die bak-terielle Vitalität charakterisiert werden und gleichzeitig nachgewiesen werden, dass bei schonenden Sprühtrocknungsbedingungen keine negativen Effekte auf die Aktivität von L.p VSL#3 vorhanden sind. Bei Lagerversuchen zeigte sich eine erhöhte Stabilität der verkapsel-ten Probiotika, wobei die Überlebensrate der durch die Sprühtrocknung stärker vorgestressten Bakterien während der Lagerung höher war als die der bei schonenden Trocknungsbedingungen verkapselten Bakterien. Auch bei NaCas- und Labgelverkapselung durch Emulsionstechnik konnte eine verbesserte Stabilität der verkapsel-ten Bakterien im Vergleich zu der unverkapselten Referenz unter definierten Lagerbedingungen nach einer Gefriertrocknung aufgezeigt werden. Für die Emulsionskapseltypen wurde in vitro eine gute Schutzwirkung im Hinblick auf den Erhalt der Vitalität im simulierten Magensaft festge-stellt, obwohl die Stabilität der Kapsel aufgrund des Enzyms Pepsin nicht über die gesamte Inku-bationsdauer von 90 min gewährleistet werden konnte. Der beobachtete Schutzeffekt konnte für die NaCas-Emulsionskapseln durch Erhöhung der Matrixdichte verbessert werden. Durch die Weiterentwicklung der NaCas-Kapseln zu Dop-pelemulsionskapseln mit zusätzlicher Fettschicht zeigte sich eine deutlich verbesserte Magen-saftstabilität gegenüber den einfachen NaCas-Kapseln. Die anschließenden In-vivo-Untersu-chungen des Auflösungsverhaltens der verschie-denen Mikrokapseln im Mausmodell zeigten, dass sich die nicht-gecoateten Kapseltypen be-reits im Magen vollständig auflösen, wohingegen ein geringer Anteil der Fett-gecoateten Kapseln den Dünndarm erreicht. Die Untersuchung der Schutzwirkung der verschiedenen Kapseltypen auf die bakterielle Vitalität in kolonisierten Mäu-sen zeigte, dass es durch die Verkapselung zu keinem verbesserten Über-leben gegenüber frei verfütterten Bakterien kommt. Die Untersuchung der Schutzwirkung der NaCas-Verkapselung auf die Vitalität von L.p VSL#3 in keimfreien Mäu-sen zeigt, dass es durch diese Verkapselung zu einer verlangsamten Magenpassage von L.p VSL#3, und in der Konsequenz sogar zu einer reduzierten Keimzahl an L.p VSL#3 im Gastroin-testinaltrakt der Maus kommt. Die Fütterungs-experimente in den CED-Mausmodellen zeigen, dass es weder durch die NaCas-, noch durch die Labgelverkapselung zu einem positiven Effekt auf die probiotische Funktionalität von L.p VSL#3 (Entzündungshemmung) kommt. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen demonstrieren, dass die Emulsionskapseltypen sowie die sprühgetrockneten Kapseln sinnvoll zum Erhalt der probiotischen Vitalität unter Lagerbedingungen eingesetzt werden können. Die schonende Sprühtrocknung von L.p VSL#3 führt zudem nachweislich zu keiner Reduktion der probiotischen Aktivität, so dass dieser Vekapselungsprozess in Kombination mit diesem spezifischen probiotischen Keim unproblematisch angewandt werden kann. Für eine Erhöhung der Säure- und Verdauungsenzymresistenz in vitro erwies sich das Fett-Coating von NaCas-Kapseln als gute Möglichkeit. Die durchgeführten Untersuchungen im Mausmodell zeigen klar auf, dass es im Vergleich zu den In-vitro-Experimenten durch die untersuchten Verkapselungen zu keinem positiven Effekt auf die bakterielle Vitalität oder die probiotische Funktionalität im lebenden Organismus kommt. Die hier beobachtete deutliche Diskrepanz zwischen den Ergebnissen unter simulierten Bedingungen und den Ergebnissen im lebenden Organismus ist von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Vorgehensweise bei der Untersuchung der Schutzeffekte von Mikroverkapselungen auf die probiotische Vitalität und Funktionalität. Die Ergebnisse des vorliegenden Projekts zeigen klar, dass die Ergebnisse aus Studien mit simulierten Gastro-Intestinal-Bedingungen grundsätzlich sehr vorsichtig interpretiert werden müssen und dass für eine belastbare Aussage zu den Schutzeffekten von Mikroverkapselungen auf die probiotische Vitalität und Funktionalität in jedem Fall In-vivo-Experimente in einem adäquaten Modellorganismus, wie z.B. dem Schwein, notwendig sind.

mehr anzeigen weniger anzeigen

Fachgebiete

Erweiterte Suche