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Sicherung der Produktqualität fermentativ hergestellter Lebensmittel durch ein neues Verfahren zur frühzeitigen Erkennung beginnender Gärstörungen und auslösender Faktoren

Projekt

Ernährung und Verbraucherschutz

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Ernährung und Verbraucherschutz


Förderkennzeichen: AiF 13436 N
Laufzeit: 01.01.2003 - 31.12.2005
Fördersumme: 134.650 Euro
Forschungszweck: Angewandte Forschung

Gärstörungen während der industriellen Produktion von Bier, Wein und Sekt verursachen jährlich Verluste in Millionenhöhe. Es wird vermutet, dass ihre Ursache komplexer Natur ist. 1997 konnte erstmalig gezeigt werden, dass auch Hefen der Spezies Saccharomyces cerevisiae über den Mechanismus des programmierten Zelltodes verfügen. Dabei wird über eine Signalkaskade aktiv das Absterben dieser Zelle eingeleitet. 2001 wurde publiziert, dass Essigsäure, das typische Nebenprodukt einer alkoholischen Gärung, in höheren Konzentrationen diesen Prozess des programmierten Zelltodes, auch Apoptose genannt, initiiert; die Gärung kommt zum Erliegen. Als weitere Auslösefaktoren, die bei der Weinbereitung ebenfalls vorkommen können, wurden Mangelsituationen in der Hefeernährung, Oxidantien, Hitzeschock, Ethanol, UV-Licht und Metallionen nachgewiesen. Da der Prozess des programmierten Zelltodes nicht umkehrbar ist, erfährt die Früherkennung beginnender Gärstörungen eine tragende Bedeutung in der Gärüberwachung. Ziel des Forschungsvorhabens war die Entwicklung eines mikroskopischen Verfahrens mit dessen Anwendung sowohl Apoptoseauslösung und die dadurch einsetzende Hemmung der alkoholischen Gärung als auch spezifische Faktoren, die zur Apoptose führen, ermittelt werden können. Weiterhin sollten für den gesamten Industriezweig Strategien entwickelt werden, die zum einen die Möglichkeiten zur Vermeidung apoptotisch bedingter Gärstörungen beinhalten und zum anderen aufzeigen, wie beim Auftreten der induzierten Gärprobleme zu verfahren ist, um das betroffene Produkt doch noch zu einem qualitativ ansprechenden Wein vergären zu können. Forschungsergebnis: Im Rahmen des Projekts wurden sowohl Realmoste unterschiedlicher kellertechnischer Verarbeitungsvarianten als auch synthetisch hergestellte Medien mit verschiedenen Nährstoffversorgungsgraden auf ihre Eigenschaft zur Apoptoseauslösung hin mit einer von der Forschungsstelle optimierten Färbemethode untersucht. Zur Überprüfung der Realmoste wurden Trauben der Jahrgänge 2003 und 2004 von drei unterschiedlichen Leseterminen mit verschiedenen Presssystemen und Vorklärungsvariantenbehandelt. Alle Varianten wurden anschließend mit den beiden Hefestämmen Lalvin EC 1118 bzw. Lalvin CY 3079 vergoren. Während 2003 die meisten apoptotischen Zellen beim unreifen Lesegut in allen Varianten auftraten, waren dagegen 2004 nur Moste aus überreifem Lesegut davon betroffen. 2003 kam es in den Realmosten trotz Apoptose zu keinen Gärstörungen, da der Beginn des programmierten Zelltodes erst gegen Ende der alkoholischen Gärung ausgelöst wurde und der verbliebene Restzucker vor dem tatsächlichen Zelltod der Weinhefen noch vergoren wurde. Im Jahrgang 2004 war der Anteil apoptotischer Zellen beim Lesegut ohne Vorklärung (unreif und reif) sehr gering. Dagegen begannen bei Varianten des überreifen Lesegutes mit Vorklärung des Mostes (mit oder auch ohne Enzymbehandlung) bis zu 80 % der Hefepopulation den Prozess des programmierten Zelltodes. Diese hohen Apoptosewerte führten in Kombination mit dem eingesetzten Hefestamm Lalvin CY 3079 zu Gärstörungen. Während der Hefestamm Lalvin EC 1118 alle Varianten trotz der hohen apoptotischen Anteile durchgärte, konnte Lalvin CY 3079 nur bei den nicht vorgeklärten Varianten einen vollständigen Zuckerumsatz erzielen. Ein bedeutsamer Unterschied zwischen den Hefestämmen lag in dem Befund, dass beim Hefestamm Lalvin EC 1118 die meisten apoptotischen Zellen erst zum Gärende bei weniger als 10 g/L Restzucker auftraten, wohingegen bei Lalvin CY 3079 ein drastischer Anstieg bereits bei ca. 40 g/L Restzucker erfolgte. Der Unterschied der beiden Hefestämme im Apoptoseverhalten zeigt sich besonders deutlich in den Varianten mit Vorklärung. Quantitativ kann anhand der Daten 2003 und 2004 keinem der beiden Hefestämme eine vermehrte Neigung zur Apoptosebildung als solche zugeschrieben werden. Der entscheidende Unterschied liegt aber im Zeitpunkt der Induktion des programmierten Zelltodes während der Vergärung. Gerade aus Sicht der Weinherstellung in der Praxis zeigte sich deutlich, dass ein Apoptosebeginn bei geringem Restzuckergehalt (10 g/L und weniger) für den Weinhersteller keinen Handlungsbedarf generiert. Hingegen muss ein Apoptosebeginn bei höheren Zuckergehalten als wichtiger Indikator für eine sich anbahnende Gärstörung gewertet werden! Die Untersuchungen belegen eine vier bis sechs Tage noch andauernde metabolische Aktivität apoptotischer Zellen, bevor der Zelltod tatsächlich eintritt. Somit hat der Weinhersteller die Möglichkeit, aus der Geschwindigkeit des bisherigen Gärverlaufs rein rechnerisch die Gefahr einer Gärstörung zu ermitteln. Zeigt sich kalkulatorisch eine zu geringe Gärleistung, so kann der Winzer zu einem sehr frühen Zeitpunkt bereits mit einem frischen Hefeansatz für den Zusatz an vitalen Hefen und damit für eine Verbesserung der Gärleistung sorgen. Keines der bislang zur Verfügung stehenden Verfahren der Gärüberwachung kann diese Früherkennung leisten! In der Frage nach den Apoptose auslösenden Faktoren wurden weinbauliche und kellertechnische Parameter untersucht: Zur Wahrung der Reproduzierbarkeit wurden zahlreiche Gärversuche mit synthetisch hergestellten Mosten durchgeführt. Als zu prüfende Variablen dienten essentielle Hefenährstoffkomponenten in reduzierten Konzentrationen bzw. abnormen Relationen in den Konzentrationen; weiterhin wurden einige Varianten Mostschönungen mit Kohle oder Bentonit bzw. einer Kombination aus beiden unterzogen. Insgesamt konnte bei den Hefestämmen Lalvin EC 1118, Lalvin CY 3079, Uvaferm CEG und Oenoferm Klosterneuburg kein signifikantes Auslösen von Apoptose verzeichnet werden. Sowohl die Reduktion der Nährstoffe als auch das Vorhandensein von pilzlichen und bakteriellen Stoffwechselprodukten wirkte nicht apoptoseinduzierend. Um den literaturbekannten Einfluss eines Missverhältnisses an Aminosäuren in synthetischen Medien zu untersuchen, wurden Aminosäuren in reduzierter Menge zugegeben, wogegen die Restbestandteile des Mediums in Normalkonzentrationen vorlagen. Ebenso wurden gezielt einzelne Aminosäuren (Lysin und Histidin) nicht dem Medium zugesetzt bzw. nur in geringen Konzentrationen. Das Fehlen dieser Aminosäuren war aufgrund der Ergebnisse ebenfalls nicht relevant bezüglich Apoptose. Auch eine zusätzliche Mostschönung dieser Varianten und die Zugaben von Pflanzenschutzmitteln brachten keinen Anstieg an apoptotischen Zellen. Um zu untersuchen, ob schnelle Temperaturschwankungen während der Gärung einen Faktor zur Apoptoseinduktion darstellen, wurden Moste entweder im ersten Drittel bzw. nach zwei Drittel der Gärung innerhalb einer Stunde um 5°C gesenkt/erhöht und nach vier Stunden wieder um 5°C auf die Ursprungstemperatur von ca. 20°C erhöht/gesenkt. Anhand der ausgewerteten Daten konnte ein Einfluss des Temperaturwechsels nur auf die Gärleistung festgestellt werden. Ein Effekt auf Apoptoseauslösung war nicht aufgetreten. In einem weiteren Versuchsabschnitt wurden sowohl die Hefestämme als auch deren Protoplasten mit verschiedenen Substanzen behandelt, um Apoptose einzuleiten. Dabei kamen Wasserstoffperoxid, Ethanol, Essigsäure, Hitzeschock, UV-Licht, Aspirin und Camptothecin in verschiedenen Konzentrationen und Inkubationszeiten zum Einsatz. Laborhefen, die mit Wasserstoffperoxid behandelt und somit zur Apoptose gebracht wurden, konnten erfolgreich im Durchflusszytometer als geschädigt nachgewiesen werden. Dies war allerdings bei Weinhefen nur eingeschränkt möglich. Trotz der vielen untersuchten Faktoren, die aus Literaturquellen als Apoptosefaktoren bekannt sind, ist es bislang nicht gelungen, die Kaskade zum programmierten Zelltod bei Weinhefen gezielt einzuleiten. Es zeichnet sich ab, dass das Vorhandensein mehrerer Faktoren notwendig ist, damit Apoptose induziert werden kann. Auch Trockenhefepräparate verschiedener Hersteller wurden untersucht, inwieweit eine Belastung an apoptotischen Zellen nach der Rehydratisierung vorliegt. Von 20 untersuchten Trockenhefestämmen lag der Durchschnitt an apoptotischen Zellen unter 4 %, lediglich der Hefestamm IOC 18-2007 wies einen Wert von 8 % auf. Ausgehend von den Ergebnissen kann den Wein herstellenden Betrieben nun eine optimierte Form der Gärüberwachung zur Verfügung gestellt werden: Ungeachtet des oder der auslösenden Faktoren einer Gärstörung zeigt sich diese entweder im Vorliegen einer zu geringen Biomasse an Hefezellen oder am Vorliegen von apoptotisch geschädigten Hefezellen. Erfolgt der Eintritt in die Apoptose noch vor Verwertung der restlichen 20-30 g/L Restzucker, kommt es durch das Absterben der geschädigten Hefezellen zu einer Gärstockung. Dies bedeutet, dass die einfache Nutzung einer Zählkammer den Verantwortlichen eine verlässliche Information über die Entwicklung der Zellkonzentration liefert. Erfolgt ab Gärmitte eine Nutzung des Färbeverfahrens der Forschungsstelle, so resultiert dies in der verlässlichen Information über das eventuelle Vorliegen von Apoptose, die sich, wie dargestellt, erst nach einigen Tagen auch in einer Reduzierung der Gärleistung zeigt. Eine solchermaßen umfassende Gärüberwachung mit relativ einfachen Mitteln war bislang nicht möglich.

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